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Kidslife · das Elternmagazin

Interview mit Anne Maar

Interview mit Anne Maar

Anne Maar

Anne Maar – Kinderbuchautorin und Leiterin des Fränkischen Theaters in einer Person!

In Anne Maars Familie gibt es viele prominente und erfolgreiche Menschen. Zum einen ist sie die Tochter des Sams Erfinder Paul Maar und der bekannten Familientherapeutin und Autorin Nele Maar. Als Enkelin des Schauspielers und Theaterregisseur Oskar Ballhaus und dessen Ehefrau, der Schauspielerin Lena Hutter ist sie schon früh mit dem Theater und Schauspiel in Berührung gekommen.

Bei so vielen künstlerisch begabten und tätigen Menschen um sich herum, liegt es nahe, dass sie selbst auch diese Richtung einschlagen würde. Doch Anne Maar hatte zunächst ganz andere Ziele: sie wollte Tierärztin werden.

Warum sie diesen Wunsch dann doch nicht in die Tat umgesetzt hat und wie ihr Leben als Leiterin eines Theaters aussieht, dass wollte KidsLife im Gespräch mit der vielseitigen Autorin und Theaterchefin von ihr erfahren.

Antje Szillat:

Liebe Anne Maar, als kleines Mädchen saßen sie oft mit ihrem Vater, dem berühmten Schriftsteller Paul Maar, beieinander und schrieben und malten sich gegenseitig aufs Papier.

Wie sehr hat ihr Vater ihren eigenen Weg als Kinder- und Jugendbuchautorin geprägt beziehungsweise gefördert?

Überraschenderweise war es nicht so, dass ich als Kind oder Jugendliche schon dasselbe werden wollte wie mein Vater. Erst wollte ich Tierärztin werden, dann Schauspielerin, dann Cutterin (Film”schneiderin”), dann wollte ich Filme machen. Ich fing an, mit einem guten Freund namens Andreas Fröhlich Drehbücher zu schreiben, u.a. für die Serie Siebenstein. Wir bekamen auch Förderung für ein Drehbuch für einen abendfüllenden Spielfilm. Ich bewarb mich noch um eine weitere Drehbuchförderung und dafür sollten verschiedene Arbeitsproben eingereicht werden. Also schrieb ich eine Kurzgeschichte für Kinder. Die Drehbuchförderung bekam ich nicht, aber weil ich die Geschichte geschrieben hatte, versuchte ich, sie in einer Anthologie unterzubringen. Dabei hat mich mein Vater sehr unterstützt, er gab mir einerseits Hinweise, wie ich die Geschichte auch optisch besser präsentieren kann, lektorierte sie und gab mir andererseits Adressen von Verlagen, in die meine Geschichte eventuell passen könnte. Die Geschichte kam dann in keiner Anthologie unter, denn Herr Rumler, der damalige Lektor vom Ellermann-Verlag. überredete mich, zu der Geschichte noch weitere zu schreiben – und daraus wurde dann mein erstes Buch. Erst nach dem Erscheinen dieses Buches fragte ich mich, ob ich auch Kinderbuchautorin werden möchte, wie mein Vater. Ich wusste aber auch, dass ich diese Entscheidung ganz alleine und für mich finden muss, denn Schreiben ist einfach etwas sehr persönliches und jeder schreibt anders, aus seiner Persönlichkeit heraus. Die Frage, ob das Schreiben das richtige für mich ist, ob es genau das ist, was ich tun möchte, habe ich dann mit “Ja” beantwortet, unabhängig von  meinem Vater.

Mein Vater unterstützt mich immer noch, indem wir über unsere Geschichten reden und uns auch gegenseitig Tipps geben. Manchmal, wenn ich bei einer Geschichte nicht weiterkomme, frage ich ihn, was er machen würde. Das hilft mir häufig, wobei er dann manchmal auch so viel weiterfantasiert, dass ich ihn stoppe und sage: “Ja, so würdest DU das jetzt weiterschreiben, aber bei mir geht’s ein wenig anders weiter… “

Vor einigen Jahren haben Sie das Fränkische Theater Schloss Maßbach von ihrer Großmutter, der Schauspielerin Lena Hutter (1911-2003) geerbt. Können Sie den KidsLife Lesern ein bisschen etwas über Ihr Leben und Schaffen als Theaterchefin erzählen?

Das Leben als Theaterchefin ist auf jeden Fall komplett anders, als dass einer Autorin.

Das Fränkische Theater Schloss Maßbach ist ein Privattheater mit der Funktion einer Landesbühne. Das heißt, es gibt drei Spielstätten im Haus, das Theater fährt aber auch auf sogenannte “Abstecher”, dh. es fährt abends an einen Gastspielort, spielt dort und fährt danach wieder zurück. Das Theater versorgt also eine ganze Region mit Kultur. Das besondere an dem Theater ist zudem, dass die Schauspieler in dem Schloss wohnen. “Arbeiten und Leben aus dem Geist der Gemeinschaft” war die Idee der Gründer, meiner Großeltern. Ich lebe allerdings nicht im Schloss. Als Theaterleiterin habe ich sehr verschiedene Aufgaben, auch deshalb, weil das Theater nicht so einen großen Etat hat und weniger Stellen besetzt sind, als ich es mir manchmal wünschen würde.

Und um welche Aufgaben handelt es sich dabei?

Da ist zum einen die künstlerische Leitung. Ich überlege, welche Stücke gespielt werden. Für jede Spielzeit müssen 8 Abendstücke gefunden werden, darunter Komödien, Klassiker, zeitgenössische Stücke, Dramen, dann zwei Kinderstücke und ein Jugendstück. Ich lese sehr viel und überlege dann, welche Stücke passend wären. Bei dieser Entscheidung spielen ganz viele Überlegungen mit: Ist das Thema spannend, relevant, unterhaltend? Was passt in dieses Theater? Sind die Rechte für uns zu haben? Wer kann das inszenieren? Wer spielen? Kann man das Stück gut an die Gastspielorte verkaufen? Mit der Auswahl der Stücke suche ich auch gleich die Regisseure (natürlich auch Regisseurinnen, aber ich verwende der Einfachheit halber jetzt den männlichen Namen), die das Stück dann inszenieren werden. Jeder Regisseur hat einen eigenen Zugriff auf ein Stück, eine Betrachtungsweise, einen Stil. Es kann einen großen Unterschied machen, ob ich ein Stück diesem oder jenem anbiete, das Stück kann sehr verschieden interpretiert werden. Mit den Regisseuren zusammen entscheide ich dann, wer das Bühnenbild machen wird und welche Schauspieler spielen werden.

Vor Probenbeginn gibt es dann ein Konzeptionsgespräch mit dem Regisseur, in dem er seine Ideen vorstellt. Da kann ich mich auch einmischen, auf Schwierigkeiten hinweisen oder auch Ideen bestärken. Genauso ist es dann, wenn ich Proben anschaue – danach gibt es ein Gespräch mit dem Regisseur, in dem ich beschreibe, was ich gesehen habe und auch Fragen stelle, wenn etwas nicht klar geworden ist.

Die künstlerische Entwicklung der Schauspieler versuche ich durch Rollenangebote zu fördern. Ganz allgemein bemühe ich mich um ein gutes Arbeitsklima, so dass alle Mitarbeiter in dem Theater – trotz sehr niedriger Gagen und Löhne – gerne da sind und gerne etwas zusammen erschaffen.

Das sind jede Menge künstlerische Aufgaben, die sich sehr interessant und spannend anhören. Aber wie sieht es mit der wirtschaftlichen Leitung aus? Fällt die auch in Ihren Aufgabenbereich?

Ja. Ich muss die Zuschüsse beantragen und auch darum kämpfen, dass sie erhöht oder nicht reduziert werden. Ich muss also auch das Theater in der Öffentlichkeit darstellen und mit Politikern verhandeln. Ich muss den Etat im Sinn haben – wie viel darf ein Bühnenbild kosten, wie viel die Kostüme, können wir uns noch einen zusätzlichen Techniker leisten, wie kann ich die Gagen erhöhen, wie finanziere ich einen neuen LKW etc. Ich muss in diesem Zusammenhang auch ganz viele Entscheidungen treffen – sollen wir die Eintrittspreise erhöhen, wie hoch soll die Ermäßigung sein, können wir uns es leisten, vier neue Scheinwerfer zu kaufen etc.

Und dann gibt es noch eine eher skurrile Nebentätigkeit von mir, das Hotelmanagement – welcher Schauspieler kommt wann in welches Zimmer, wo wohnt die Regieassistenz, muss ich noch ein Zimmer anmieten, sind genügend Töpfe in den Zimmern, braucht jemand eine neue Matratze?

Als ich nur Autorin war, war ich jeden Tag zu Hause, viel allein, konnte eigentlich jeden Tag machen, was ich wollte.

Jetzt bin ich fast jeden Tag im Theater (aber erst ab 11 Uhr, zum Glück!), jeden Tag mit vielen Menschen zusammen und habe die Verantwortung für einen mittelständischen Betrieb mit etwa 50 Angehörigen.

Nach einer längeren Schreibpause sind in letzter Zeit wieder einige neue Kinderbücher von Ihnen erschienen. Wie ist es zu der Schreibpause gekommen und was hat Sie dazu veranlasst, das Schreiben wieder aufzunehmen?

Als ich das Theater übernommen hatte, war ich erst einmal eine Weile überfordert von dieser Aufgabe. Seit ein paar Jahren fühle ich mich zwar nicht mehr überfordert, die Theatertätigkeit nimmt dennoch sehr viel Zeit und Energie in Anspruch. Ich bin außerdem eine langsame Schreiberin, brauche lange, um eine Idee zu entwickeln. Die nun neu veröffentlichten Bücher sind eher kürzere Geschichten. Das Schreiben an einer langen Geschichte fehlt mir etwas, aber ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das langsame und längere Arbeiten an einem Buch mit der Theaterarbeit kombinieren kann.

Eines Ihrer neuen Bücher trägt den Titel: Mehr Affen als Giraffen. Sie haben das Buch zusammen mit Ihrem Vater Paul und ihrer Tante Verena Ballhaus geschrieben bzw. illustriert. Wie ist es zu diesem Familienprojekt gekommen?

In dem Buch sind Geschichten von meinem Vater und mir versammelt, die es schon einmal in anderer Form gab. Wir fanden es beide schade, dass so viele Geschichten einfach verschwinden und hatten dann die Idee für diese Sammlung. Zum Glück fand der Oetinger-Verlag diese Idee auch gut! Es war dann schwierig, die sehr verschiedenen Geschichten zu ordnen und zusammenzustellen, doch mit den neu erfundenen Rätseln und Bilderspielen ist daraus ein richtig schönes Schmöker-Stöber-Buch geworden. Dass Verena die Bilder machen soll, war uns gleich klar. Wir schätzen Verena sehr als Illustratorin, und wenn es schon ein Familienbuch werden sollte, dann auch mit ihr.

Ihre Werke wurden mehrfach, unter anderem mit dem Luchs der ZEIT, ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Außerdem sind Sie 2007 vom Bundespräsident Horst Köhler für ihr kulturelles Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen? Und welche ist Ihnen ganz besonders wichtig?

Das Fränkische Theater Schloss Maßbach hat als “Gesamtkunstwerk” im letzten Herbst den Bayerischen Kulturpreis erhalten. Das hat mich und alle Mitarbeiter sehr gefreut, weil wir ein Theater in der Provinz sind und unsere Tätigkeit damit öffentlich anerkannt (und honoriert) wurde.

Beim Bundesverdienstorden war ich sehr überrascht. Als ich den Brief bekam, dachte ich erst, man hätte mich vielleicht verwechselt? Eigentlich bin ich immer noch überrascht. Beim Luchs und der Nominierung habe ich mich sehr gefreut. Dass etwas, was ich sehr gerne mache und was mir sehr am Herzen liegt so gewürdigt wird war sehr schön.

Zum Schluss natürlich die Frage, die bei keinem Interview mit einer Autorin fehlen darf: Woran arbeiten Sie gerade und auf welche Neuerscheinungen dürfen sich Anne Maar Fans demnächst freuen?

Ich habe eine Bilderbuchgeschichte beendet, aber noch keinen Verlag dafür gefunden. Es gibt zwei Geschichten – lange – an denen ich auch schon länger arbeite. Ich hoffe, dass es mir trotz Theater gelingt, daran weiter zu arbeiten.

Im Moment schreibe ich gerade ein Theaterstück für Kinder zusammen mit dem Autor und Regisseur Christian Schidlowsky, das im Winter im Fränkischen Theater Schloss Maßbach in Koproduktion mit dem Stadttheater Fürth uraufgeführt werden wird.

Als nächstes erscheint bei Tulipan im Frühjahr 2011 ein Erstlesebuch mit dem (Arbeits)titel: “Was machen wir jetzt?”

Vielen Dank für das Interview und alles Gute.

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