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Kidslife · das Elternmagazin

Mut zum Unperfekten: Jan-Uwe Rogge im Interview

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“Sorgen Sie dafür, dass es in ihrer Familie Grund gibt zu Lachen!”

Interview: Martina Voigt-Schmid, Fotos: Pixabay, J.U. Rogge

Kleinkinder, die nicht aus der Trotzphase herauskommen, revoltierende Teenager, entnervte Eltern, die verzweifelt nach einer handlichen Liste mit “Erziehungstipps“ fragen – alles Fälle für Jan-Uwe Rogge. KidsLife sprach mit Deutschlands renommiertestem Erziehungsberater und Bestsellerautor über die größten Erziehungsfehler und Wege zum glücklichen Miteinander in der Familie.

Jan-Uwe Rogge

KidsLife: Überall werden heute Elternkurse angeboten. Was halten Sie davon – müssen Eltern lernen, bessere Eltern zu sein?

Dr. J.-U. Rogge: Viele Eltern hoffen und glauben, Erziehung funktioniere wie Kochen nach Kochbuch. Sie suchen nach einem Rezept für ein Problem und gehen davon aus, mit dem richtigen Zutaten-Mix zum gewünschten Ergebnis zu kommen. So funktioniert das natürlich nicht. Elternkurse gibt es viele, nicht alle sind empfehlenswert. Wirklich gut finde ich „Starke Eltern – Starke Kinder®“, der vom Deutschen Kinderschutzbund entwickelt wurde.

Dürfen Eltern Fehler machen, oder wirkt sich jeder faux-pas im Umgang mit den Kindern negativ auf ihre Entwicklung aus?

Falsche oder zu hohe Erwartungen der Eltern können sich sehr negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Viele Eltern sind viel zu kritisch ihren Kindern gegenüber, vergleichen sie zu stark mit anderen oder mit ihren eigenen Idealvorstellungen. Kindliche Entwicklung und Entwicklung überhaupt ist ein sehr individueller Prozess. Jedes Kind sollte den Raum und die Zeit haben, sich auf seine eigene, ihm gemäße Art zu entfalten.

Denken Eltern heute mehr über Erziehung nach als früher, haben die Zeiten sich geändert?

Auch früher schon hat man über Erziehung nachgedacht. Bereits 1801 verfasste der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi den ersten Elternratgeber “Wie Gertrud ihre Kinder lehrt”. Pestalozzi legte großen Wert darauf, Kinder vielseitig und harmonisch zu fördern. Schon damals vertrat er, was wir heute einen „ganzheitlichen Ansatz“ nennen. Zu dieser Zeit waren die meisten Kinder schon früh in viele häusliche Pflichten eingebunden. Heute haben sie viel mehr Zeit als früher, um wirklich Kind zu sein – mit allen positiven und negativen Folgen. Immer mehr Kinder sind überbehütet.

Sie brauchen eine ungeheure Kraft, um sich gegen ständig glotzende und sich in alles einmischende Eltern zu verteidigen.

Mal abgesehen von körperlicher Misshandlung – was sollte in der Erziehung wirklich tabu sein?

Wirklich tabu sollte es für Eltern sein, sich über das Kind zu definieren, sich über das Kind Lob und Anerkennung zu holen. Bewusst oder unbewusst erwarten viele Eltern von ihren Kindern, dass sie das erfüllen, was sich für sie selbst nicht erfüllt hat. Einen Satz, den ich allen Eltern mit auf den Weg geben möchte ist „Vergleiche nie ein Kind mit einem anderen“. Viele Mütter sind in dieser Hinsicht unsolidarisch, sie beäugen und kritisieren einander. Stehen Sie zu Ihrem Kind, so wie es ist!

Einer Ihrer Bestseller heißt: „Ohne Chaos geht es nicht“ – wie können Eltern entspannter mit dem alltäglichen Chaos umgehen?

Indem sie sich selbst nicht vergessen, sich selbst nicht vernachlässigen. Indem sie den Blick weg vom Kind – und wieder mehr auf sich selber richten. Eltern und vor allem Mütter müssen lernen, auf sich und ihre Wünsche zu achten und nicht nur gut für die Kinder, sondern auch gut für sich selber zu sorgen: „Wenn es mir gut geht, geht es auch meinen Kindern gut“.  Eltern sind nicht nur Vater und Mutter, sondern auch Partner, sie sind auch Mann und Frau. Sie sollten nicht vergessen, ihre Partner-schaft zu leben, ihrer Partnerschaft Raum zu geben, auch regelmäßig ohne die Kinder etwas Schönes gemeinsam zu unternehmen. Ein Junge sagte einmal zu mir: „Wenn Papa und Mama sich mehr angucken würden, dann würden sie mich nicht immerzu sehen.“

Ihr wichtigster Ratschlag für ein glückliches Miteinander in der Familie?

Ratschläge gebe ich nicht, denn Ratschläge sind Schläge. Scherz beiseite: kein Ratschlag, sondern ein Gebot: Haben Sie Mut zur Unvollkommenheit – und gestehen Sie das auch Ihren Kindern zu. Alle Mitglieder einer Familie sollten sich in ihrer Unvollkommenheit annehmen. Und: Jeder ist sich selbst der Nächste. Um ein guter Altruist zu sein, muss man zuerst ein guter Egoist sein. Das verstehen Kinder sehr gut. Kinder lieben Eltern, die lachen. Sorgen Sie dafür, dass es in Ihrer Familie Grund gibt zum Lachen.

Über aktuelle Veranstaltungen und Termine mit Dr. Jan-Uwe Rogge informiert seine Homepage.

Und hier findet ihr eine Auswahl seiner Bücher.

Erschienen in KidsLife 2/07, Copyright: KidsLife Medienverlag GmbH & Co. KG

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