Anstrengende Trotzphase – was tun?
Gestresste Eltern, tobende Kinder – wie gehe ich mit der Trotzphase meines Kindes um?
Die Trotzphase wird bei Kindern mit etwa eineinhalb Jahren beobachtet und dauert bis ins dritte, seltener ins vierte Lebensjahr. Die Ursache für das kindliche Verhalten liegt in einem Meilenstein in der psychologischen Entwicklung des Kindes.
Was bedeutet die Trotzphase?
Die sogenannte Trotzphase ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind immer stärker nach Selbstständigkeit strebt. Während sich das Kleinkind vorher in all seinen Handlungen und Einstellungen an seinen Eltern orientiert hat, wird ihm plötzlich bewusst, dass es eine selbstständige Persönlichkeit hat. Das Kind, das im Begriff ist, seine Selbstständigkeit zu entdecken, strebt nach einer Ablösung aus der Abhängigkeit vom Willen der Bezugsperson.
Unsere Expertin, Frau Dr. Becker-Stoll, Leiterin des Frühpädagogischen Instituts in München, führt neben dem Bedürfnis nach Autonomie noch zwei weitere Grundbedürfnisse an, deren Entstehung und Regelung in der Trotzphase von größter Bedeutung sind. Dabei handelt es sich zum Einen um das Grundbedürfnis der Eigenkompetenz. Zum Anderen um das Grundbedürfnis nach Bindung.
Doch wie können Eltern die Grundbedürfnisse des Kindes befriedigen ohne, dass sie selbst ihre Bedürfnisse aus den Augen verlieren? Wie können Eltern in der Trotzphase entspannt bleiben und diese sogar genießen?
Kinder verstehen lernen
Damit Kinder ein aktives Erkundungsverhalten zeigen und sich mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, brauchen sie eine sichere Bindungsbeziehung zu ihren Eltern. Sind die Eltern für ihr Kind verlässlich verfügbar und gehen sie feinfühlig auf seine Bedürfnisse ein, dann bildet das Kind eine sichere Bindungsbeziehung zu ihnen aus. Diese ersten Bindungsbeziehungen zu den Eltern sind nicht nur wichtig, um von dort aus die Umwelt zu erkunden und eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, sondern auch, weil Kinder in diesen Beziehungen den Umgang und die Regulation von Gefühlen erfahren und erlernen.
Tröste Dein Kind und hilf ihm wenn es sich ärgert!
Die Fähigkeit, vor allem negative Gefühle wie Ärger, Traurigkeit oder Angst zu regulieren, ist nicht angeboren, sondern wird erst bei den ersten Beziehungserfahrungen erlernt. Je kleiner ein Kind ist, desto stärker ist es darauf angewiesen, dass ihm Eltern helfen, mit seinen Gefühlen umzugehen. Um sich zu beruhigen, braucht ein Kind bei Kummer Trost bei Ärger Hilfe und bei Angst Ermutigung und Sicherheit.
Gelingt es der Mutter, das Kind liebevoll und einfühlsam bei der Bewältigung negativen Gefühle zu unterstützen, so wird es nach und nach lernen, seine Gefühle selbst zu regulieren. Durch die emotionale Geborgenheit ihrer Mutter, lernt es. iGefühle wahrzunehmen, ihre Ursache zu erkennen und wirksame Strategien des Umgangs mit ihnen zu erlernen.
Vorbeugung ist die beste Medizin!
Am besten ist jedoch das Vorbeugen. Genau hinsehen, wann ein Trotzanfall kommt, um beim nächsten Mal die Situation im Vorfeld entspannen zu können. Um einem Trotzanfall zu vermeiden, könnte die Mutter oder der Vater z. B. schon am Vortag mit dem Kind die Kleidung für die Kinderkrippe aussuchen. So könnte sie Zeit sparen, da das Kind schon mit dem Anziehen der Schuhe beginnen kann, während die Mutter sich selbst anzieht. Je mehr Möglichkeiten es bekommt, selbst aktiv zu werden und seine Kompetenzen bei der Vorbereitung des Tages, also beim Ankleiden, Frühstücken etc. selber erproben kann, desto weniger Enttäuschungen erlebt sie.
Der Umgang mit Gefühlen will gelernt sein
Trotzverhalten bei Kindern hängt mit der Nicht-Erfüllung ihres Grundbedürfnisses nach Autonomie und Kompetenz zusammen, die zu Wutausbrüchen und Verzweiflung führen. Aber auch Situationen, in denen Kinder emotional überfordert, müde, abgespannt und zu vielen Reizen ausgesetzt sind, tragen zu Gefühlsausbrüchen bei. Kinder sind auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen, um mit diesen überwältigenden Gefühlen umzugehen. In dieser Überforderungssituation hilft es Kindern am besten, wenn Eltern ihrem Kind signalisieren, dass sie da sind und bereit sind, ihr Kind zu unterstützen. Je nach Temperament des Kindes kann eine liebevolle Umarmung oder ein ruhiges Abwarten helfen. Entscheidend ist, die Haltung der Eltern zum Kind in der Situation und das Wissen darum, dass ein Kind in diesem Alter seine Gefühle nicht selber regulieren kann. Liebevolle, geduldige Zuwendung führt bei einem Trotzanfall zur Schlichtung des Konfliktes, manchmal ist auch Humor oder eine witzige Ablenkung hilfreich.
Nimm ein „Nein“ nicht persönlich
Versuche daran zu denken, dass es sich beim Trotzalter um eine sehr wichtige, zeitlich begrenzte Entwicklungsstufe im Leben Deines Kindes handelt. In dieser Phase wird sich Dein Kind seines eigenen Willens bewusst und strebt nach Autonomie. Die daraus entstehenden familiären Konflikte sind natürlich und stellen keinen Kampf dar, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt.
Überprüfe Regeln und Verbote
Versuche, in der Trotzphase Deinem Kind Struktur und Beständigkeit zu geben. Bringe es nicht durch neue Regeln und Verbote durcheinander, wenn es schreit und tobt. Überprüfe lieber die Regeln und Verbote. Oftmals gilt dabei “Weniger ist mehr”. Erkläre klar und deutlich, was Du möchtest und was nicht, (vgl. M. Hofferer: „Wenn Kinder trotzen. Hilfe, das ICH meines Kindes erwacht!“). Achte dabei immer darauf, dass auch Du Dich an die Abmachungen hälst. Denn was für Dein Kind gilt, gilt auch für Dich.
Veränderungen vorausplanen
Versuche Deinem Kind die Möglichkeit zu geben, sich auf Veränderungen vorzubereiten. Plane wenn möglich für alle Tätigkeiten mehr Zeit ein. Vermeide dabei Situationen, die zur Eskalation führen könnten. Überlege von vornherein, wann Dein Kind wahrscheinlich einen Trotzanfall bekommt. So kannst Du vorbeugen und beim nächsten Mal die Lage entspannen.
Selbstständigkeit fördern
Dein Kind möchte alles alleine machen? Um seine Selbstständigkeit zu fördern, kannst Du ihm ein paar kleinere Aufgaben im Haushalt übertragen. Lass es Dinge tun, die es sicher beherrscht. Nimm Dir öfters Zeit für gemeinsame Unternehmungen, in denen Dein Kind aktiv miteinbezogen wird.
Manchmal hilft eine Auszeit
Trotzanfälle sollten nicht bestraft werden, denn Strafen verschärfen nur das Problem. Wenn Du dich durch die Situation überfordert fühlen, ist es manchmal sinnvoll, das Kind in sein Zimmer zu schicken, oder selbst in ein anderes Zimmer zu gehen. Wenn es möglich erscheint, solltest Du sagen: „Wenn du dich beruhigt hast, kannst du wiederkommen!“.
Hilfe in der Not: das Elterntelefon
Du kannst auch jederzeit professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Zum Beispiel das Elterntelefon. Dort wirst Du anonym und kostenlos beraten.
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