Kinder erleben Kunst
Kunst ist angesagt. Internationale Kunstmessen florieren und Ausstellungen verzeichnen hohe Besucherzahlen. Trotzdem trauen sich viele Erwachsene kaum ein Urteil zu. „Kunst? Davon versteh’ ich nichts!“, wehren sie ängstlich ab. Kinder sind da ganz anders. Sie trauen ihren Augen und stehen Entdeckungen aus der Kunstwelt ganz vorurteilslos und offen gegenüber. Mit Offenheit und Interesse entwickeln sie mit der richtigen Anleitung ganz spielerisch ein Verständnis für Malerei, Architektur oder Fotografie.
Mit Lana Memox entdecken Kinder die Welt der Kunst
Interview: Martina Voigt-Schmid
Kinder lieben Comics. UND mit der kleinen Lana Memox lernen sie auch Kunst zu lieben – die Welt der gotischen Kathedralen ebenso wie die Skulpturen von Niki de Saint Phalle. Denn „Lana Memox“ ist Kunstgeschichte in Comicform – wundervoll gezeichnet und witzig erzählt. KidsLife sprach mit den Schöpferinnen der Lana-Comics.
Lana Memox ist ein kleines Mädchen, das gerne Eis isst und Wolken sammelt. Die meiste Zeit aber ist die Heldin der zauberhaften Kunst-Comics mit ihrem Freund, dem Kater Lu Scanner unterwegs. Und immer wieder stolpern die beiden ganz zufällig über Kunstwerke. Sie entdecken seltsam verpackte Gebäude, bunt angemalte Statuen dicker Frauen und lassen sich vom bunten Licht bezaubern, das durch ein Kirchenfenster fällt. Immer sind es solch zufällige Entdeckungen, die Lana und Lu auf die Spur der Kunst bringen und ihre Neugierde wecken – genau so entdecken Kinder Kunst. Und immer wenn Lana etwas nicht weiß, tritt das Computerwesen Karl auf und weiß die Antwort: Warum die „Nanas“ so rund und bunt sind, wieso manche verhüllten Häuser und Gegenstände tolle Kunstwerke sind, und warum es sich lohnt, alte Kirchen einmal genauer zu betrachten. Karl, der virtuelle „Kulturkummerkiller“ ist der kluge Freund vom anderen Stern, der alles weiß und immer tolle Ideen hat – genau wie die weise Fee in alten Märchen. Welche Rolle Karl noch spielt, und wie Kinder und Erwachsene auf die Comics reagieren, haben wir die Kunsthistorikerin Andrea Dreher und die Illustratorin Judith Zaugg, die beiden Schöpferinnen der Lana Memox-Comics, gefragt.
KidsLife: Wie ist die Idee zu Lana Memox entstanden?
Andrea Dreher: Beide wollten wir etwas Neues für Kinder machen. Judith als Illustratorin, ich als Kunsthistorikerin. Es sollte etwas Anderes entstehen. Kein Sachbuch, kein Bilderbuch, irgendwas dazwischen, das Lust macht auf MEHR. Also trafen wir uns zu einem „brainstorming“-Wochenende und so entstanden LANA MEMOX (im Nachnamen steckt „memoria“, also Erinnerung), ihr kleiner Freund LU SCANNER und Kulturkummerkiller KARL.
Was gibt es bisher für Reaktionen auf Lana?
Die Kinder, mit denen wir bisher in unseren Workshops zu tun hatten, lieben LANA. Sie finden ihr Hobby, nämlich Wolken zu sammeln, total spannend. Viele Kinder identifizieren sich mit LANA, egal ob Mädchen oder Jungs, sie essen auch gerne Eis, sind neugierig, sie schauen genau und wissen meistens wenig oder nichts über Kunst! Bei den Reaktionen der Erwachsenen gibt es eine klare Zweiteilung. Ein Teil ist spontan begeistert, findet die Illustrationen und die Inhalte gut, und freut sich, dass endlich jemand neue Wege in der Kunstvermittlung geht. Der andere Teil tut sich schwer mit den Illustrationen und dem konzeptionellen Ansatz und muss zunächst mehrere „Schubladen“ im Kopf öffnen, um zu begreifen, dass LANA Spaß machen will und trotzdem für Bildung steht.
Zur Figur von Karl: Glaubt ihr, dass Kinder für Entdeckungen im Cyberspace eher aufgeschlossen sind, als für Entdeckungen in der „realen Welt“, dass sie den Umweg über ein flimmerndes Medium brauchen?
Ja, Kinder finden es total spannend, wenn neue Impulse aus „anderen Sphären“ kommen. Karl ist nicht greifbar, aber immer da, wenn LANA ihn braucht. Karl ist kein kluger Erwachsener, sondern eine sympathische Figur aus einer anderen Welt. Karl regt die Fantasie der Kinder an und Fantasie ist wichtig, wenn es um Kunst geht. Computer prägen im übrigen längst unseren Erwachsenen-Alltag. Auch die Kinder bekommen das sehr früh mit, also wollen wir den Computer als „Wissensvermittler“ in die Geschichten holen und dem „www“ ein kinderfreundliches Gesicht geben.
Wählt ihr für die Lana-Geschichten eure eigenen Lieblingskünstler aus?
Nein. Das erste Thema „Gotik“ haben wir deshalb gewählt, weil Gotik zumindest in Europa in nahezu jeder Stadt anzutreffen ist. Die Kinder entdecken diesen Stil und finden ihn immer wieder, in Mailand, Köln, Bern, London, Paris … oder auch in jeder kleineren Stadt. Paul Klee ergab sich durch den Neubau des renommierten Paul-Klee-Zentrums ins Bern, wo wir im Herbst 2005 unsere Buchvernissage feiern konnten, ein glücklicher Zufall also. Insgesamt aber wollen wir in den fünf Geschichten zeigen, wie vielseitig Kunst ist: Schnörkel an einer Kirche (Gotik), gemalte Musik (Klee), etwas, das wieder verschwindet (Christo und Jeanne-Claude), Pfosten mit Köpfen, die überall herumstehen (dorisch-ionisch-korinthisch) oder eine Frau, die auf Bilder schießt und riesige Figuren baut (Niki de Saint-Phalle).
Erinnert ihr euch noch an euer erstes Kunst-Aha-Erlebnis, an das erste Kunstwerk, das Euch als Kids wirklich angesprochen hat?
Andrea: Ja, das erste echte AHA-Erlebnis war ein Museums- und Stadterlebnis. Ich war als 16-jährige mit meiner besten Freundin heimlich und auf eigene Faust nach Wien gereist (meine Eltern erfuhren erst davon, als ich sie aus Wien anrief). Der Besuch des Kunsthistorischen Museums war wie ein Rausch für meine Sinne! Große Räume, große Bilder – alles so berühmt und so beeindruckend. Und ich kam mir so klein und unwissend vor, das wollte ich unbedingt ändern.
Judith: In meinem Elternhaus war Kunst immer schon vorhanden und für mich alltäglich. Meine Kindheit war geprägt von Ausstellungsbesuchen oder Besuchen in Künstlerateliers von Freunden meiner Eltern. Mein Vater hat mir immer alles erklärt, ob in einem modernen Kunstmuseum oder in einer Kirche in Italien. Ein bisschen wie Karl. Ich habe das als Kind geliebt und nie als ein Muss empfunden. Ein sehr eindrückliches Erlebnis war eine Verbrennungsaktion eines ca. 20 Meter hohen Koloss´ des Künstlers Bernhard Luginbühl. Da war ich ca. acht Jahre alt, genau weiß ich es nicht mehr.
Habt ihr das Gefühl, dass auch ihr selbst durch Lana Memox die Kunst in eurer täglichen Umgebung bewusster wahrnehmt?
Andrea: Oh ja! Als ich vor zwei Jahren eine Freundin in Sevilla besuchte und vor der Kathedrale stand, habe ich mir LANA MEMOX neben mich gewünscht, denn sie hätte ihre Freude an all den Krabben und Kreuzblumen gehabt. Ich habe dann – als Ersatz – ein Karte mit gotischen Motiven an Judith geschickt. Egal, was ich tue und wo ich bin, LANA MEMOX taucht immer wieder auf, beim Blick aus dem Fenster , beim Gang durch die Stadt … oder Karl, den ich mir manches Mal auf meinen Bildschirm wünschen würde …, aber leider kommt er nur in Kinderzimmer.
Judith: Auch bei mir ist Lana im Alltag immer präsent. Ich gehe anders durch Städte und habe plötzlich in meiner eigenen Stadt entdeckt wie unendlich viele Säulen es gibt!<<
Lana Memox-Bücher
Lana Memox – Die gotische Kirche
Lana Memox – Paul Klee
Lana Memox – Christo und Jeanne-Claude
Lana Memox – Niki de Saint Phalle
Lana Memox – Dorisch-Ionisch-Korinthisch
Alle Bücher: h.e.p. Verlag, je 6 Euro.
Tipp: Kultur ist überall
Um Kunst zu erleben, muss man nicht erst in ein Museum fahren. Wie Lana Memox begegnen wir auf Schritt und Tritt großen Kunstwerken. Zum Beispiel in der gotischen Kirche ganz in der Nähe. Wer eine gotische Kirche betritt, taucht ein in eine Welt voller Symbole. Fantasievolle Gebilde und Figuren schmücken die hohen Fassaden. Wenn man sie genauer betrachtet, regen sie zu Geschichten an – wie in Walt Disneys „Der Glöckner von Notre Dame“, wo drei verrückte Wasserspeier den einsamen Glöckner Quasimodo dazu überreden, sich an dem jährlichen Kostümfest unter das Volk zu mischen und so ein spannendes Abenteuer in Gang bringen. Sehen Sie selbst!
Erschienen in KidsLife 2/07, Copyright: KidsLife Medienverlag GmbH & Co. KG