Interview mit Rotraut Susanne Berner
Wo, um Himmels Willen liegt denn Wimmlingen, Frau Berner?
AS: Hallo Frau Berner,
gibt es den Ort Wimmlingen eigentlich wirklich und verraten Sie mir wo er sich befindet?
RSB: Natürlich gibt es den – aber verraten werde ich nicht, wo er ist…. das muß jeder selber herausfinden.
AS: Mein Lieblings-Wimmlingen-Bewohner ist eindeutig Oskar, obwohl er ja etwas sonderbar ist. Haben Sie selbst auch einen Favoriten oder jemanden, der Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
RSB: Nun ja, es gibt da einen Buchhändler in Wimmlingen, der meine Bücher immer ins Fenster legt, schon deshalb gehört er — wie auch im wirklichen Leben — zu meinen Lieblingen.
AS: Auf den ersten Blick ist Wimmlingen Idylle pur, doch wenn man genau hinschaut, dann entdeckt man auch miteinander streitende Menschen oder arme Bettler und sogar ständig telefonierende und von ihrem Laptop nicht zu trennende Männer, denen gelangweilte Frauen gegenüber sitzen.
Woher nehmen Sie die Ideen zu den einzelnen Motiven? Inspiriert Sie der ganz normale Alltag?
RSB: Ja, sicher. Ich habe ja das Glück, daß ich in der Innenstadt von München lebe und in Schwabing arbeite. Also radle ich jeden Tag mitten durch die Stadt, durch das ganze Stadt-Gewimmel. Das ist schon sehr inspirierend. Und was die Idylle betrifft: als Passant sieht man ja nur einen kleinen Ausschnitt — man geht vorüber und vorbei und weiß ja gar nicht genau, was hinter allem steckt. Oder warum hat Oskar eine solche Vorliebe für Gänse? Möglicherweise erfahren wir das nie — vielleicht aber doch. Mal sehen.
AS: Sie sind international eine der bekanntesten und meistgeehrten Illustratorinnen. Haben Sie schon als Kind gerne gezeichnet oder wann haben Sie Ihre Leidenschaft und Ihr Talent dafür entdeckt?
RSB: Ich habe, wie alle Kinder, die Stifte und Papier haben, gezeichnet. Auch schon deshalb, weil ich ein Kind der 50er Jahre bin und es gar nichts
anderes gab, wenn das Wetter schlecht war und man nicht rausgehen konnte. Ich habe gelesen, gebastelt und gezeichnet. Die richtige Leidenschaft fürs Zeichnen habe ich eher spät entdeckt: das kam dann erst mit einem gewissen Selbstvertrauen und den ersten Erfolgen.
AS: Wie viel Zeit benötigen Sie für – zum Beispiel – ein komplettes Wimmel-Buch?
RSB: Das ist schwer zu beantworten, weil es sich um Prozesse handelt, die ineinandergreifen und zwischendurch habe ich auch mal etwas anderes gemacht. Das erste Buch, das Winter-Wimmelbuch, hat natürlich die meiste Zeit beansprucht, weil ich da als Landschafts- und Städteplanerin tätig war und die gesamte Konzeption der vier Bücher planen mußte.
So mußte der z.B. der Kindergarten als fertiges Gebäude schon in diesem 1. Band entworfen werden, damit es dann am Ende einigermaßen
stimmig ist. Aber ganz grob kann man sagen, daß ich 3-4 Monate für so ein Buch brauche.
AS: Haben Sie einen Ort / Platz an dem Sie am liebsten und kreativsten arbeiten können?
RSB: Eigentlich kann ich nur hier in meinem schönen Atelier arbeiten. Ich muß die Türe hinter mir zumachen können und brauche eine gewisse Abgeschiedenheit und meine Rituale.
AS: Gibt es ein bestimmtes Buch oder eine Geschichte, dessen Illustration sie besonders reizen und interessieren würde?
RSB: Nein, eigentlich nicht. Die Klassiker, die ich liebe, brauchen entweder keine Bilder, oder haben schon ganz wunderbare, die man gar nicht ändern darf, wie z.B. Alice in wonderland oder Pinocchio oder die Kästner-Bücher mit den Zeichnungen des von mir sehr verehrten Walter Trier. Allerdings habe ich mir immer gewünscht, daß Ernst Jandl einen Text speziell für mich schreibt, aber leider hat er das nicht getan, und nun ist es zu spät.
AS: An welchen Projekt arbeiten Sie gerade? Und auf welche Neuerscheinung von Ihnen dürfen wir uns demnächst freuen?
RSB: Darüber möchte ich lieber noch nicht sprechen. Aber ich kann verraten, daß es unter anderem auch Neuigkeiten aus Wimmlingen geben wird.
AS: Heutzutage stellt sich immer mehr die Frage, ob man seinem künstlerischen Talent frönen oder angesichts der starken Konkurrenz das Illustrieren aufgeben soll. Können Sie jungen Talenten, die noch am Anfang stehen, etwas Aufmunterndes mit auf den Weg geben?
RSB: Ganz sicher: denn es gab noch nie so viele Publikationen für Kinder. Man gerät als Bilderbuch-Zeichner und Illustrator aber sicher in eine Sackgasse, wenn man denkt, daß man mit dem mainstream mitschwimmen muß. Es ist wichtig, seinen Eigensinn zu bewahren und sich treu zu bleiben. Das ist nicht einfach, denn, wie Sie sagen, ist die Konkurrenz groß – aber eine eigene originelle und wahrhaftige “Sprache” ist bestimmt der bessere
Weg in diesem Beruf glücklich zu werden.
AS: Liebe Frau Berner, vielen Dank für das Interview und Ihre schönen Bücher.
Das Interview führte Antje Szillat, im Juli 2007