G-L4W9TR8WRF Die Botschaft der Märchen für Kinder von heute
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Die Botschaft der Märchen für Kinder von heute

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Foto: Kelly Sikkema / Unsplash

Märchen sind mehr als nur Geschichten, sie sind Nahrung für die Seele. Unabhängig vom Ort und der Zeit, in der sie entstanden sind, transportieren sie zentrale Weisheiten: Auch in aussichtslosen Situationen kann man siegen, es lohnt sich, anderen zu helfen und sich für das Gute einzusetzen. Hilfe kommt manchmal auf ganz unerwartete und wunderbare Weise. Besonders heute, einer Zeit, in der auch Kinder durch die Medien mit so vielen Nachrichten konfrontiert werden, die Angst machen und verunsichern, können Märchen dabei helfen, Dinge zu verarbeiten und in eine andere Perspektive zu rücken. Auch das eigene Leben ist eine spannende Geschichte – in der wir unsere eigene Macht entdecken können.

Märchen sind sehr gut geeignet, Kindern Mut und Hoffnung zu geben und wichtige Werte zu vermitteln. Wir haben mit der bekannten Pädagogin, Bestseller-Autorin und Expertin für Werte-Erziehung, Susanne Stöcklin-Meier gesprochen.

Lange Zeit wurden Märchen als zu grausam, überholt und moralisch angesehen. Inzwischen ist ihr pädagogischer Wert  in Fachkreisen unbestritten. Warum brauchen Kinder Märchen?

Susanne Stöcklin Meier: In der Begegnung mit Märchen und Geschichten findet das Kind eigene Standpunkte sowie Wertschätzung und Offenheit anderen gegenüber. Es lernt, konzentriert zuzuhören, sich dem Erzähler aufmerksam zuzuwenden und kommt dabei innerlich und äußerlich zur Ruhe. Innere Bilder entstehen. Kinder erleben Märchen mit allen Sinnen. Im Rollenspiel können sie das Verhalten der Märchenfiguren bewusst erleben und Gefühle und Stimmungszustände wie Freude, Mut, Hilfsbereitschaft, Trauer, Ärger oder Wut ausdrücken. Sie erfahren, dass Schwächen und Fehler, aber auch Verzeihen und Umkehren, zum Leben dazugehören. Märchen machen Kinder mutig und stark.

Vermitteln Märchen Kindern Werte, die auch heute noch wichtig sind? Was können Kinder durch Märchen lernen und erfahren?

Die Botschaft der Märchen ist eindeutig: Es gibt Probleme und Konflikte, aber man kann sie überwinden – auch wenn man sich noch schwach und klein fühlt!

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Foto: Annie Spratt / Unsplash

5 wichtige Werte und wie sie in Märchen vertreten sind:

 

WAHRHEIT

Das Thema Wahrheit steckt etwa in: „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen. Hier geht es um „Wahrheit und Lüge“ und „Fantasie und Realität“. Im Grimm-Märchen „Das Hirtenbüblein“ sehen wir, wie Kinder „Wahrheit“ durch „Wissensdurst und Forschergeist“ erleben.

RECHTES HANDELN

„Der Fischer und seine Frau“ zeigt uns, was geschieht, wenn rechtes Handeln missachtet wird: „Wer immer mehr und mehr will, steht am Ende mit leeren Händen da. Gier lohnt sich nicht!“ „Frau Holle“ spinnt an den Fäden des Schicksals und vermittelt den Zuhörenden: „Jede Handlung beeinflusst dein Leben. Die Guten werden belohnt und die Schlechten bestraft.“

FRIEDEN

Das Thema Frieden finden wir im griechischen Märchen: „Die zwölf Monate“. Es zeigt: nur wer in allem etwas Gutes sieht, wird im Märchen mit Gold, Glück und Zufriedenheit beschenkt. Die kämpferische „Zottelhaube“ aus dem hohen Norden weist uns darauf hin: „Vor Gott und dem König ist jedes Kind gleich. Nur wer sich selber so annehmen kann, wie er ist, strahlt Freude und Frieden aus.“

LIEBE

Das Thema Liebe, taucht in den Grimm-Märchen in ganz unterschiedlichen Motiven auf: Die „Sterntaler“ spiegeln bedingungslose Liebe. Der „Fundevogel“ lehrt, geliebte Freunde und Freundinnen gehen zusammen durch dick und dünn. „Die sieben Raben“ offenbaren uns, dass nur die Schwester mit ihrer Liebe die verzauberten Brüder erlösen kann.

GEWALTLOSIGKEIT

Das Thema Gewaltlosigkeit finden wir etwa in der Legende „Die Steinsuppe“. Sie lehrt uns, dass Menschen trotz Not und Krieg das Essen teilen können und sich daraus sogar ein friedliches, gewaltfreies Beisammensein entwickeln kann. Das Motto des „Dummlings“ im Grimm-Märchen „Die Bienenkönigin“ heißt: „Lasst die Tiere in Frieden, ich bin’s leid, dass ihr sie zerstört!“ Das Märchen fördert den Sinn für gewaltfreien Umgang mit der Umwelt, der Natur und den Tieren.

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Foto: Aartem Sapegin

„Märchen geben besonders Kindern Mut und Hoffnung, weil meist der Kleine und Schwache am Schluss siegt.“

Kinder können sich Werte und Eigenschaften im Märchen besser merken, wenn sie diese als Gegensatzpaare erleben wie etwa: gut und böse, frech und freundlich, klug und dumm. Im Spiel hüpfen Kinder von Rolle zu Rolle. Durch diesen Rollentausch lernen sie die Qualität einzelner Gegensätze und Werte verstehen. Es ist für die kleinen Darsteller nicht angenehm, als Schaf immer vom Wolf gefressen zu werden, manchmal möchten sie auch selber zubeißen und als Wolf die Zähne zeigen! Immer nur Schneewittchen spielen kann langweilig werden, ab und zu möchten sie auch einen giftigen Apfel verschenken … Die fünf Werte: Wahrheit, rechtes Handeln, Frieden und Miteinander, Liebe und Gewaltlosigkeit, sind prägnant in Märchen vertreten. Sie vermitteln Kindern Werte oft besser als Gespräche, Hinweise, Mahnungen oder gar Verbote der Erwachsenen!

Die Gewalt wird im Volksmärchen nicht ausgeschmückt, sondern nur knapp und sachlich geschildert. Auf Kinder wirkt es befreiend, wenn das Unglück, die Gefahr und das Böse gebannt und beseitigt sind. Erst dann können Kinder aufatmen und sich freuen. Sie tanzen zum Beispiel am Schluss des Märchens „Die sieben Geißlein“ um den Brunnen und singen: „Der Wolf ist tot!“ und die Welt ist für sie wieder in Ordnung! Die Strafe für „das Böse“ im Volksmärchen erscheint uns Erwachsenen hart, doch aus Kindersicht ist sie „gerecht“. Beruhigend wirkt auf die kleinen Zuhörer, dass Märchen gut ausgehen und dadurch einen starken Optimismus vermitteln.

Identifizieren sich Kinder in Märchen automatisch mit den Guten? Lernen sie dadurch, für das Gute zu kämpfen?

Alle Märchenfiguren sind Aspekte unserer selbst. Der König hat im Märchen keine gesellschaftlichen Funktionen, sondern ist das Urbild einer weisen, selbständigen Persönlichkeit. In jedem von uns lebt ein König, aber auch dunkle Gestalten wie Hexen, Drachen, böse Riesen und Zauberer. Sie verkörpern unsere Schattenseiten. Märchen helfen, diese Figuren in uns bewusst zu machen und mit ihnen umzugehen. Im Märchen gibt es selten ausweglose Situationen. Selbst wenn das Rotkäppchen vom Wolf „gefressen“ wird, kommt es aus dieser misslichen Lage wieder heraus, und diese Gewissheit ist für Kinder sehr tröstlich! Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler sagt über den Sinn der Märchen: „Märchen transportieren eine Lehre, die unabhängig von dem Ort und der Zeit, in der sie entstanden sind, immer wieder dieselbe ist: Es lohnt sich, anderen zu helfen und sich für das Gute einzusetzen. So sind Märchen zwar erfundene Geschichten, aber keineswegs nur Kindersache!“

Zum Thema Märchen und emotionale Intelligenz schau auch mal hier.

Informationen zu einer eindrucksvollen Neuvertonung der Grimms Märchen gibt es hier.

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