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Kidslife · das Elternmagazin

Mein Bedingungsloses Grundeinkommen – ein Erfahrungsbericht

Mein Bedingungsloses Grundeinkommen, Aufmacher
Portrait Michael Bohmeyer, Gründer Mein Grundeinkommen

Bedingungsloses Grundeinkommen – ein Verein verlost finanzielle Grundsicherung für 1 Jahr

Das Konzept Bedingungsloses Grundeinkommen beinhaltet, dass jeder Mensch jeden Monat vom Staat einen festen Betrag bekommt, der existenzsichernd sein sollte. Egal wie alt er ist, einfach so, ohne, dass er dafür eine Leistung erbringen muss ­– und ohne befürchten zu müssen, dass diese Zuwendung gestrichen wird.

In Deutschland wird die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert und hat prominente Fürsprecher, z. B. den Unternehmer Götz Werner (dm-drogerie markt), den Ökonomen Thomas Straubhaar oder den Philosophen Richard David Precht, stößt jedoch auch auf viele Zweifel und Bedenken. Kann es gut gehen? Ist es finanzierbar? Geht dann noch jemand arbeiten? Ist es gerecht?

Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins Mein Grundeinkommen war neugierig darauf, was Menschen mit einem Grundeinkommen in der Praxis machen würden, wie es ihr Leben verändern könnte und ob verborgenes Potenzial freigesetzt würde. Er selbst verfügte aus unternehmerischer Tätigkeit über ein passives Einkommen, das er als äußerst wohltuend empfand. So wurde Mein Grundeinkommen ins Leben gerufen.

Ausprobieren statt theoretisieren

Der Verein Mein Grundeinkommen theoretisiert nicht nur, sondern probiert aus, was das Bedingungslose Grundeinkommen mit den Menschen macht, die es in der Praxis ein Jahr lang erhalten. Seit dem Start mit Hilfe einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne in 2014 wurden bereits viele Erfahrungen von GewinnerInnen gesammelt und ausgewertet.

Als Eltern denken wir viel über die Zukunft nach, in der unsere Kinder leben werden und interessieren uns sehr für positive Ansätze für die Welt von morgen. Auch wir möchten gerne wissen, was das Bedingungslose Grundeinkommen für Menschen bewirkt und haben uns mit einer Gewinner-Familie über ihre Erfahrungen unterhalten.

Bedingungsloses Grundeinkommen - Martin mit seinen Kinder
Martin mit seinen Kindern – am Wasser. Foto: Martin

Bedingungsloses Grundeinkommen – Interview mit  Gewinner Martin Lanz aus Bremen

Bitte erzähle uns ein bisschen von Euch.

Mein Name ist Martin* und ich bin der Papa von Ida* (5), dem Gewinnerkind, und von Jonas* (8). Von der Mutter der Kinder lebe ich getrennt und die Kids wechseln wöchentlich zwischen den Haushalten. Wir wohnen in Bremen in einer netten kleinen Mietwohnung.

Ich bin Bildhauer von Beruf, arbeite jedoch seit drei Jahren als Kunstlehrer an einer Oberschule. Ich war 10 Jahre als Künstler selbstständig. Mit der Geburt der Kinder wurde es allerdings immer schwieriger, genügend und regelmäßiges Einkommen zu erwirtschaften. Das hing mit den gestiegenen Kosten zusammen aber auch damit, dass Kinder Zeit brauchen und ich sie ihnen auch geben wollte. Beides hat zu einer finanziellen Abwärtsspirale geführt, die ich irgendwann nicht mehr verantworten konnte und mich beruflich umorientieren musste.

In welcher Situation hast Du dich /habt Ihr Euch befunden, bevor Du ein Bedingungsloses Grundeinkommen gewonnen hast?

Als ich mich vor Jahren bei Mein Grundeinkommen registriert habe, war das in einer Zeit, in der ich noch monatlich bangen musste, genügend Geld für die laufenden Kosten erwirtschaften zu können. Das war sehr belastend. Das Konto war dauerhaft überzogen. Und ich weiß noch, wie sehr es mich bedrückt hat, meinem Sohn monatelang kein dringend anstehendes Fahrrad kaufen zu können. Nicht mal ein gebrauchtes. Durch den Einstieg ins Lehramt hat sich über die letzten Jahre unsere finanzielle Situation stabilisiert. Meine Bildhauerei ist dabei leider zum Erliegen gekommen. Somit reicht es mal mehr und mal weniger knapp für das Nötigste. Zum Sparen reicht es nicht, aber meine Familie ist abgesichert.

Wie fühlt es sich an, das zusätzliche Geld von Mein Grundeinkommen monatlich zu erhalten und wofür setzt Du/setzt Ihr es ein?

Als ich erfahren habe, dass meine Tochter ein Bedingungsloses Grundeinkommen gewonnen hat, war ich sprichwörtlich fassungslos. Ich konnte es nicht glauben und kann es immer noch kaum. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie ich das Einkommen nutzen möchte, damit es wirklich bei den Kindern ankommt.

Wie gehe ich verantwortungsvoll mit dem Geld um? Wie teile ich es auf? Was sage ich den Kindern? Sage ich, dass Ida gewonnen hat? Oder sage ich, dass die Kids gemeinsam gewonnen haben? Sage ich überhaupt etwas? Es ist zwar meine Tochter, die gewonnen hat, jedoch ist es für mich selbstverständlich, dass ich es zwischen meinen beiden Kindern gleichmäßig aufteile.

Kinder im Kanu
Martins Kinder im Kanu, Foto: Martin

Für mich persönlich bietet es die einmalige Gelegenheit, für die Zukunft meiner Kinder zu sorgen. Ich spare es für sie an und werde es Ihnen geben, wenn sie älter sind. Sie haben demnach erst zeitversetzt etwas davon. Vielleicht entspricht meine Entscheidung nicht ganz der Idee des Grundeinkommens.

Meine Idee ist jedoch, dass sie das Geld später individuell, eigenverantwortlich und ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend verwenden können. Momentan würde ich es so einsetzen, wie ich als Papa denke, dass es gut für sie ist. Sicherlich würde es unser Leben erleichtern. Aber meine Vorstellung oder Wunsch ist es, dass das Grundeinkommen einen größeren Mehrwert für sie und ihre Entwicklung hat, wenn sie später selbständig Zugriff darauf haben.

Sie werden die Möglichkeit haben, sich Zeit zu nehmen, die für ihre Entwicklung wichtig sein kann. Sie können eine Bildungsreise unternehmen oder sich eine kostspielige Ausbildung finanzieren. Im besten Fall schenkt ihnen das Grundeinkommen die Möglichkeit sich selbst zu verwirklichen und ihrem Traum nachzugehen.

Bedingungsloses Grundeinkommen - Vater mit Kindern am Strand
Martin mit seinen Kindern am Strand. Foto: Martin

Hast Du das Gefühl, dass sich das Grundeinkommen auf Dein/Euer Leben, das Lebensgefühl und die Motivation positiv auswirkt?

 Es ist ein monatlich wiederkehrender Glücksschub. Es puscht und gibt mir das Gefühl es geschafft und mein Leben im Griff zu haben. Meine Kinder versorgt zu wissen, nimmt mir Druck von den Schultern.

Gibt es etwas, das Du nun tun oder haben kannst, was Du Dir immer schon gewünscht hast?

Ohne ein Bedingungsloses  Grundeinkommen wäre es mir nicht möglich, für die Kinder etwas anzusparen. Nun werde ich ihnen etwas auf den Weg mitgeben können und ihnen damit im besten Fall Freiraum schenken.

Findest Du, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen eine gute Idee für alle Menschen wäre, egal, wie viel sie verdienen und glaubst Du, dass sich unsere Gesellschaft insgesamt dadurch positiv entwickeln würde?

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sich nicht positiv auswirken könnte. Ein Aspekt ist, dass Mangel und Sorge belasten und sich negativ auf die Gesellschaft auswirken. Sie erzeugen Angst, Neid, Rassismus, Vorurteile, Kriminalität, etc. Ein anderer kultureller Aspekt ist, dass das Grundeinkommen sich wie Dünger auf das kulturelle Schaffen auswirken würde. So gut wie keiner meiner Weggefährten*innen aus dem Kunststudium konnten dauerhaft von der Kreativität leben. Meine Beobachtung und Erfahrung sind, dass irgendwann alle aufgeben. Das ist ein gewaltiger Verschleiß und Verlust der Kunst- und Kulturschaffenden und eine Verschwendung an kreativen Ressourcen. Kaum auszumalen, wie die kulturelle Landschaft erblühen würde, wenn wirtschaftliche Zwänge sie nicht mehr hemmen würden, zu wachsen.

Wenn Du gerne mehr über Mein Grundeinkommen erfahren und vielleicht auch als Spender aktiv werden möchtest, bekommst Du hier weitere Informationen.

* Namen von der Redaktion geändert

Text: Martina Voigt-Schmid/KidsLife Redaktion

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