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Kidslife · das Elternmagazin

Beim zweiten Kind wird alles anders

Nach der Geburt eines zweiten oder dritten Kindes ist für Eltern und Geschwister nichts mehr so, wie es vorher war. Es braucht dann eine Weile, bis das neu aufgestellte Team seinen Alltagsrhythmus wiederfindet – und jeder seinen ureigenen Platz in der Familie. Doch wie lange dauert es, bis sich die Lage entspannt? Und was lässt Eltern auch in schwierigen Zeiten nicht verzweifeln?

Die Mehrzahl der Familien hat heute mehr als ein Kind. Sind erstmal zwei oder drei Kinder da, wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für die Frauen schwieriger. Doch auch, wenn’s eine Zeit lang finanziell eng wird, hält das die meisten Paare nicht davon ab, ein zweites oder gar drittes Kind zu planen.

Zwei Kinder – doppelte Arbeit?

Ist das zweite Kind dann da, ist vieles neu – und doch auch wieder vertraut. Der Unterschied von einem Kind zu zwei Kindern ist vor allem am Anfang groß und es dauert eine ganze Weile, bis das Familienleben zu bekannten Abläufen und neuen Ritualen gefunden hat.
Die Diplom-Psychologin Helga Gürtler, Autorin des Buches „Mit dem zweiten Kind wird alles anders“ und selbst Mutter von drei Kindern, weiß aus langjähriger Arbeit mit Familien, dass zwei Kinder nicht gleich doppelt so viel Mühe machen wie eines: „Erstens wird manches zur Routine, was sie jetzt noch mit viel Aufwand betreiben. Zweitens muss einiges gar nicht so perfekt sein, wie Eltern es noch beim ersten Kind handhaben. Und drittens ist manches ein Abwasch: Wenn Eltern mit zweien auf den Spielplatz ziehen, für zwei Kinder Kleidung kaufen oder Geschichten vorlesen, ist der Aufwand kaum größer.“

Eltern sind beim zweiten Kind routinierter und ruhiger geworden, kennen Wehwehchen und Krisen, sind souveräner, setzen Grenzen klarer und fällen Entscheidungen leichter. Da bedeutet ein zweites Kind auf Dauer keine große Umstellung mehr. Außerdem erlebt das zweite Kind Erziehung schon durch das, was Eltern und älteres Geschwisterkind vorleben. Eine Einordnung fällt ihm leichter, und die Gefahr ist nicht mehr so groß, dass es wie viele Erstgeborene in Watte gepackt wird.

Dramen der Eifersucht

Mit der Ankunft des zweiten Baby ändert sich aber nicht nur vieles für die Eltern, sondern vor allem für das Erstgeborene. Eltern brauchen oft viel Einfühlungsvermögen und Einfallsreichtum, um dem Älteren klarzumachen, dass sein Platz in der Familie sich nun geändert hat – aber nicht gefährdet ist. Etwa die Hälfte aller Kinder reagiert auf den Nachwuchs mit Verhaltensänderungen wie Trotz, Rückzug oder Anklammern an die Eltern. Den idealen Altersabstand zwischen den Geschwistern gibt es dabei nicht, denn jede Situation hat ihre Vor- und Nachteile.

„Jedes Kind, das ein Geschwister bekommt, steigt auf vom meist etwas ängstlich umsorgten Erstling zum Großen, von dem man erwartet, dass es vernünftig ist, rücksichtsvoll oder Verantwortung übernimmt. Die Eltern sollten dabei aber bedenken, dass auch ihr Großes noch ‚klein’ ist. Wer zum Beispiel von einem Älteren verlangt, das Kleinere niemals zu schlagen, der ignoriert, wie gemein und berechnend jüngere Geschwister sein können“, betont Helga Gürtler.
Eigentlich fand die 38-jährige Rechtsanwältin Rosa B. ihren zweijährigen Sohn anstrengend genug, als sie wieder schwanger wurde. Anstatt dann mit Jubel auf den kleinen Bruder Christian zu reagieren, quengelte und schrie er beim ersten Besuch im Krankenhaus nur herum. Zu Hause piesackte er den kleinen Bruder, zwickte ihn oder nahm ihm die Schlafdecke weg. Rosas Fazit nach dem für sie schlimmen ersten Jahr:  „Hilfe suchen, für Entlastung sorgen und dem älteren Kind Vertrauen schenken, dass es über kurz oder lang mit der Situation klar kommt.“

pixabay

Drei – ist keiner zuviel!

Noch einmal ganz anders fühlt es sich für Eltern und Nachwuchs an, wenn ein drittes Kind dazukommt. Die „Nesthäkchen“ füllen oft und gerne die extremen Rollen in der Familienkonstellation aus, denn die Kleinsten in der Familie haben sehr schnell heraus, wie man sich bei Geschwistern und Eltern am besten Gehör verschafft. Sei es durch lautstarke Hilferufe in Richtung Eltern oder mit ständigem Druck auf die Tränendrüse. „Erst jetzt sind wir komplett!“, sagt Diana W., 42, Lehrerin mit drei Kindern, voller Stolz. „Meinen Sohn Torben habe ich bekommen, weil wir unbedingt ein drittes Kind wollten, obwohl unsere Umgebung der Meinung war, dass zwei Kinder viel praktischer sind als drei.“ Natürlich sei mit dem dritten Kind vieles schwieriger geworden. Die ersten Jahre haben – bei einem geringen Altersabstand von etwa zwei Jahren – sehr viel Kraft gekostet. „Wir brauchten ein anderes Auto, ein zusätzliches Kinderzimmer und ich habe mich erstmal von einer schnellen Rückkehr ins Berufsleben verabschiedet.“ Trotzdem wäre ihre Familie und ihr Glück ohne Torben nicht vollständig. „Wenn wir früher alle beim Essen saßen, hatten wir oft das Gefühl, als würde noch jemand in der Runde fehlen“, sagt die dreifache Mutter-

Bei allen Unterschieden in den Familien stellen sich doch alle Eltern mit mehreren Kindern immer wieder die Frage, ob sie wirklich alle gleich lieb haben. Doch auch wenn sie sich dessen sicher sind, heißt das noch nicht, dass ihre Kinder immer gleich behandelt werden müssen. „Das geht auch gar nicht. Schon das unterschiedliche Alter zwingt zur Ungleichbehandlung. Aber akzeptiert nicht mit der Zeit jedes Kind die Bevorzugung von Bruder oder Schwester, sobald es begreift, dass es selbst vielleicht schon morgen mit einer Sonderbehandlung dran ist?“, so die Psychologin Helga Gürtler.

Tipps für Eltern, die das zweite oder dritte Kind erwarten

Vor der Geburt

  • Nehmen Sie sich für die Zeit nach der Geburt nicht zu viel vor: Gerade in den ersten Wochen und Monaten haben Sie genug mit der Umstellung von Drei- auf Vier- oder Vier- auf Fünf-Personenhaushalt zu tun
  • Klären Sie das oder die Geschwister darüber auf, das Sie ein Baby erwarten. Zeigen Sie ihm oder ihnen die eigenen Ultraschall- oder Baby-Fotos. Das vermittelt das Gefühl und Wissen, die Zeit selbst durchlebt zu haben
  • Preisen Sie gegenüber dem älteren Kind das Baby auf keinen Fall als künftigen Spielkameraden an. Sonst fühlt es sich nach der Geburt irritiert oder gar belogen

Nach der Geburt

  • Lassen Sie Gefühle von Wut und Aggression Ihres Kindes für das Baby zu und sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Nur so fühlt es sich verstanden und ernst genommen
  • Will Ihr älteres Kind plötzlich wieder ein Fläschchen haben oder Windeln tragen, lassen Sie das zu, loben es aber zugleich für seine Stärken und dafür, dass es ja schon viel mehr kann als das Baby
  • Gewähren Sie dem Erstgeborenen einmal pro Woche eine „Verwöhnstunde“: Lassen Sie zu einem festen Termin das Baby von jemand anderem versorgen und seien Sie ungestört und ungeteilt ganz für das große Kind da

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